Wir stehen erholter auf als am Tag zuvor. Großes haben wir vor, den Aufstieg zum Låddebákte. Doch schon beim ersten Blick hinauf ist klar, das wird heute nichts. Wolken hängen dicht bis zum Fuß. Ein Aufstieg wäre lebensgefährlich und auch ohne Nutzen. Für Karsten verschwimmt der Traum von der Besteigung eines Gipfels im Nebel.
Die Route ist längst umgeplant. Also raus aus der "Grünen Hölle" und hinauf zum Snávávágge, einem Hochtal. Wir treffen die beiden Schwedinnen wieder. Sie haben oberhalb der Baumgrenze gerastet. Eine leichte Furt liegt vor uns. Ihr folgt ein Anstieg mit 400-500 Höhenmetern. Beim Blick zurück entdeckt Karsten einen Elch, der sich schwimmend durch den Rapaädno kämpft. Wir haben mit dem Verzicht der Furt des Rapaädno die richtige Entscheidung getroffen. Kurz vorm Einstieg ins Tal stoßen wir auf zwei Schweden aus Helsingborg. Wir tauschen Informationen aus und fachsimpeln über Ausrüstung. Hier oben sind alle Leidensgenossen. Du musst nichts mehr beweisen, denn jeder geht durch die gleiche Knochenmühle.
Snávávágge empfängt uns mit Wolken und endlosen Steinfeldern. Irgendwann wird auf 977 Metern Höhe der Blick auf den See Snávvájávvre frei. Der Låddebákte liegt noch immer dicht verhüllt.
Beim Ausstieg aus dem Snávávágge trifft es mich unvermittelt. Bei der Tourplanung hatte ich das Tal eher am Rande behandelt und war auf das, was jetzt kam, nicht vorbereitet. Schier endlose Schönheit zwingt mich beinahe zu Boden, Tränen der Rührung laufen meine Wangen runter. Karsten grinst bis zu den Ohren. Das obere Rapadalen liegt vor uns. Kilometerweite Sicht in die Anfänge des Tals, schneebedeckte Gipfel, das Grün des Tals und das Türkis des Rapaädno sind beinahe zu viel für unsere Sinne. Natürlich rasten wir hier.
Der Weg ins nächste Tal führt über ein Geröllfeld im Steilhang. Mal was anderes. Es fordert höchste Konzentration, um nicht zu stürzen. Im Eingang des Tals Bielavallda entdecken wir einen Hügel und steuern diesen direkt an. Von hier haben wir noch einmal ausgezeichnete Sicht. Erst Minuten später wird uns klar, er ist schon besetzt. Schwärme von Mücken fallen auf einem Hügel ohne Bäume in mehr als 800 Metern Höhe über uns her. Zuerst müssen unsere Regenjacken Schutz bieten, später sogar die Moskitohüte. Für den Rest des Tages werden wir die Blutsauger nicht mehr los. Man zieht sie wie eine Schneeschleppe hinter sich her.
Karsten lotst uns zielsicher durch einen Sumpf an die westliche Flanke des Tals. Der See Bierikjávvre kommt in Sicht. Er liegt türkisblau zwischen den Bergen eingeklemmt. Sehr beeindruckend. Zu unserer Freude finden wir den perfekten Rastplatz 10 Meter vom Ufer des Sees entfernt. Die Sonne scheint bis in unsere Herzen hinein. Nicht mal die zahllosen Rüsselträger können unseren Abend trüben.
Fazit
Im Sarek ist es wichtig, dass du immer einen Plan B in der Tasche hast. Verlasse dich nie auf das, was gestern noch Fakt war. Eine Saison ist so anders wie die Vergangene. So hat uns ein zu schwacher Frühlung und ein lascher Sommer große Restschneemengen beschert, die nun die Flüsse anschwellen ließen. Folglich war die Furt durch den Rapaädno unmöglich und unser Plan musste gekürzt und angepasst werden. Das eröffnete völlig unerwartete Wege.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben!