Wir verlassen den schönsten Schlafplatz unserer Tour. Der Bierikjávvre bleibt noch lange Zeit in unserem Rücken zu sehen. Die Täler werden weiter. Noch immer hängen die Wolken sehr tief. Gestern haben wir wieder Kriegsrat gehalten. Eine letzte Chance für einen Gipfel und einen Gletscher sehen wir noch. Die endgültige Entscheidung verschieben wir auf unsere Ankunft vor Ort.
Das Frühstück nehmen wir auf einem Hügel mit einem letzten Blick auf den Bierikjávvre. So langsam entsteht Abschiedsstimmung. Wir haben Tag 5 und behalten den sicheren Ausstieg im Blick. Hinter der nächsten "Bodenwelle" wartet das Guhkesvagge. Hier verläuft die Grenze zwischen den Nationalparks Sarek und Stora Sjöfallet.
Die Welle entpuppt sich als kleiner giftiger Zahn. Oben angekommen, liegt das breite Guhkesvagge vor uns. Wir furten einen vergleichsweise einfachen Fluss. Dann manövrieren wir uns durch einen Sumpf, um vor dem beeindruckenden Guhkesvakkjåhkå zu landen, der geografischen Grenze das Sarek. Zum Glück führt eine Brücke über den Fluss.
Ich filme die Überquerung. Karsten braucht etwas länger, der Abschied vom Sarek fällt ihm sichtbar schwer. Später bemerkt er jedoch, dass es doch nur eine von Menschen geschaffene Grenze ist.
Karsten erreicht das Ende der Brücke, wo ich bereits auf ihn warte. Dann ein Schockmoment, für mich vielleicht der gefährlichste der gesamten Tour. Ich drehe mich um und will losgehen, doch da ist kein Grund. Die Brücke hat an jedem Ufer einen riesigen Sockel, auf dem sie ruht. Der auf meiner Seite ist abrupt zu Ende. Keine Stufe, nichts. Unter mir mindestens 1 Meter Leere. Ich kippe wie eine Schranke nach vorn. Karsten greift instinktiv nach mir und verhindert meinen Sturz aus dieser Höhe. Mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken sind die Verletzungen nicht auszumalen, die ich erlitten hätte. Dieser Schock sitzt.
Die Landschaft bleibt weit und offen. Leicht vor uns eine Bergkette, die morgen unser Ziel sein soll, um den Traum vom Berg und den Gletscher zu verwirklichen. Also wird am Fuß der Kette unser Lagerplatz gesucht. Die Gegend wirkt surreal. Weiter Blick, tiefe dunkle Wolken und Felsblöcke wohin das Auge wandert. Einladend sieht anders aus. Karsten findet den durchaus treffenden Vergleich einer Mondlandschaft. Irgendwann drückt es uns sogar auf die Moral. Keine Abwechslung, nur Weite, Steine und Wolken. Ein graues Etwas.
Als Navigationspunkt in dieser Runde wählen wir einen Berg, den wir wegen seines für uns unaussprechlichen Namens eindeutschen und Nintendo nennen. Irgendwann ist ein Schlafplatz gefunden und das Zelt wird aufgebaut. Stellenweise haben wir bereits wieder Netz und Karsten kann ein Lebenszeichen nach Hause senden.
Zum Wasserholen lasse ich meine Brille am Zelt. Das wird mir beinahe zum Verhängnis. Als ich zurück will, sieht alles gleich aus. Unser Zelt hebt sich in diesem Geröll nicht ausreichend ab. Ich gerate kurz in Unruhe. Da wir in einer Senke rasten, muss ich erst auf einen Hügel steigen, um es zu finden. Eine weitere Lehrstunde.
Dann beginnt Dauerregen für die Nacht. Schlechte Zeichen für das gesteckte Ziel des nächsten Tages.
Fazit
Dass Orientierung durch die Witterung beeinträchtigt werden kann, haben wir erlebt. Diesmal mussten wir lernen, dass die Orientierung im Kleinen an fehlenden Signalfarben scheitern kann. Obwohl die Landschaft so schön ist, kann sie doch hier und da stark auf das Gemüt drücken. Stein um Stein, Meter für Meter, Fixpunkte kommen einfach nicht näher und das Bild im direkten Umfeld scheint sich kaum zu wandeln. Darauf kann man sich schwer vorbereiten.
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