Eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss

Der Jakobsweg in Sachsen-AnhaltJacqueline ist Ergotherapeutin und interessiert sich vor allem für Kultur und Leute. Wo könnte sie diesem Interesse besser nachgehen als auf dem Jakobsweg. Ganz freiwillig hat es sie nicht auf den kompletten Pilgerweg verschlagen: "Vor etwa einem halben Jahr habe ich auf einer Wanderung auf dem Lutherweg im Mansfelder Land ein Teilstück des Jakobsweges entdeckt. Dieses niedliche Wanderzeichen mit der Muschel hatte es mir sofort angetan (Sternzeichen Krebse lieben alles was irgendwie mit dem Meer zu tun hat). Voller Freude zeigte ich Thomas meinen Schatz und er roch gleich Lunte und legte ein Feuer. 'Lass uns doch den Jakobsweg in Sachsen- Anhalt mal probieren, vielleicht macht es uns Spaß und wir können so gemeinsam Zeit verbringen'. Unüberlegt sagte ich zu und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

 

Ich bekam per Email eine Packliste, wurde über das Handy auf fünf digitalen Wanderrouten verknüpft und Mittlerweile hieß das Motto: Von der Haustür nach Santiago (ca. 3000 Kilometer zu Fuß, Stück für Stück, ein Leben lang) Ich hatte keine Vorstellung davon, was es heißt, den ganzen Tag zu laufen. Aber gut, was soll's? Eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss."

Statt wie die meisten den Camino zu pilgern, läuft sie jetzt gemeinsam mit Thomas von der Haustür nach Santiago. Was sie auf ihrem Weg erlebt, könnt ihr hier in ihren Geschichten auf dem Jakobsweg lesen.

Jakobsweg von Nienhagen nach Halberstadt

Dieses Weckerklingeln galt einmal nicht mir. Um 7 Uhr flutschte Thomas aus dem Bett und ließ mich einfach liegen bleiben.

Von der Haustür nach Santiago

Etappe: Nienhagen nach Halberstadt

Verlauf: Nienhagen - Röderhof - Kloster Huysburg - Kloster St.Burchardi - Vogtei Halberstadt

Strecke: 23 Kilometer

Gesamt: 105 Kilometer

Download: GPX-Datei

Marienstatue in der Kirche zum Allerheiligsten Altarssakrament in Schwanebeck

Das war so schön. Er war der, der die Mutprobe angenommen hatte und mit einer fast fremden Frau in das Auto steigen wollte, um uns ein lecker Frühstück zu besorgen. An Weiterschlafen war da leider bei mir nicht mehr zu denken. Ich war ein wenig Sorge, ihn auch gesund und munter wiederzusehen. Fast eine Stunde später war dann alles vergessen. Thomas war zurück und wir saßen gemeinsam am Tisch.

Gegen 9.30 Uhr (wieder etwas später als geplant) waren wir dann abmarschbereit. Es ging in Richtung Schwanebeck. Die ersten Kilometer liefen sehr gut neben der Straße auf einem Fahrradweg. Man wollte einfach nur schnell weg. So kamen wir zügig in Schwanebeck an und erwischten auch nah am Ortseingang ein kleine Kapelle, angekündigt im Wanderführer als Kirche zum Allerheiligsten Altarssakrament. Wie fast immer auf unserem Weg war das Gotteshaus verschlossen. Jedoch gab es am Aushang eine Telefonnummer, die Thomas auch anrief und ca. 20 Minuten später erhielten wir eine persönliche Führung mit ausführlicher Erzählung zur Entstehung der Wallfahrtslinde. Diese kann man im Garten der Kapelle bewundern. Wer von Euch diesen Weg geht, sollte hier unbedingt Station machen und dieses kleine Wunder in Augenschein nehmen. Wir spendeten der Gemeinde einen kleinen Betrag, ließen uns den Pilgerstempel in den Pass drücken und gingen wieder in Pilgerstimmung den Weg weiter. Nienhagen, der Ort unserer Übernachtung, war vergessen.

Kirche zum Allerheiligsten Altarssakrament in Schwanebeck

Sehr sehenswerte kleine Kirche mit einer interessanten Geschichte, die man hier nachlesen kann. Sollte die Tür verschlossen sein, so es einen Versuch wert, die Kontaktnummer im Infokasten neben der Tür anzurufen.

Jacqueline im Portal des Kloster Huysburg bei Halberstadt im HuyIch wusste noch nicht, dass auch das wieder eine glückliche Fügung des Himmels war. Vor uns lag eine unendlich lange Strecke mit wenig Abwechslung. Es ging über Flur und Felder Richtung Röderhof. Man konnte Kilometer weit über die Felder in die Landschaft schauen und der Weg nahm und nahm kein Ende. Thomas hatte wieder meine tollen Aldischuhe an, aber ich hatte immer das Gefühl, es war für ihn nicht das Nonplusultra. Ich beobachtete ihn ganz genau, was mir sehr leicht viel. Thomas lief mindestens 20 Schritte vor mir. Sollte das mal anders sein, stimmte etwas nicht. In weiter Ferne erschien am Horizont der Huy. Ein kleiner Gebirgszug, der unsere heutige Pilgerei noch bereichern sollte. Ich freute mich auf die Huysburg, weil mir Thomas versprochen hatte, dass es dort endlich wieder kulturelle Höhepunkte, wie Kaffee und Kuchen, geben sollte. Nur das allein ließ mich die endlosen Kilometer weiterlaufen und durchhalten.

Die Kirche des Kloster HuysburgNach eine erholsamen Pause im Gras am Wegesrand mit landwirtschaftlichem Unterhaltungsprogramm(Zugmaschinen führten direkt vor uns auf dem Acker ein Ballett auf) hatten wir es endlich in den Huy geschafft. Die letzten Meter mussten wir einen bisher ungewohnten Anstieg des Geländes überwinden und dann endlich trafen wir auf die Mauern der Huysburg. Vor dem Tor machten wir unser „Gute-Laune-Foto“ und dann sah ich, wie auf Thomas' Gesicht ein Lächeln erschien. Er hatte unseren Schutzengel entdeckt. Johanna stand im Burghof und die Überraschung des erneuten Aufeinandertreffens war freudig und groß. Gemeinsam besichtigten wir die Anlage der Mönche, bis plötzlich Johanna ganz feierlich wurde. Sie überreicht mir vor der Marienfigur einen Glückscent mit segensreichen Wünschen. Diesen hatte sie auf dem Burghof gefunden und dabei sofort an mich gedacht. Als ich die Rückseite der Münze betrachtete, war auf diese die Kathedrale von Santiago de Compostela zu sehen. Ich war so überwältigt, dass dieser Weg mir bereits in der ersten Woche so eindeutige Zeichen schickte. Auf keiner anderen Wanderung sind solche Dinge geschehen. Jetzt hatten mich die „Götter“ in ihrem Bann.

Gemeinsam gönnten wir uns Kaffee und Kuchen im Burgcafé. Im kleinen Burgladen verlor ich mich ein wenig, so schöne Dinge konnte man hier kaufen und ich fand ein paar kleine Geschenke für meine Familie zu Hause. Schweren Herzens verabschiedeten wir uns nach einer guten Stunde von Johanna. Gern hätte sie noch eine Nacht mit uns hier verbracht. Ich denke wir hätten das Angebot annehmen sollen, da wir bestimmt noch einiges hätten mitnehmen können auf unseren Weg. Aber noch etwas ahnungslos verfolgten wir unseren vorgegeben Plan und marschierten weiter Richtung Halberstadt, unserem heutigen Ziel und dem Ende der ersten Etappen auf dem Jakobsweg.

Kloster Huysburg

Die Türme des Klosters sind auf dem Weg von Schwanebeck schon lange zusehen, da sie die Baumwipfel des Huys um einiges überragen. Im Kloster befindet sich eine Kirche, ein Klosterladen mit angeschlossenem Café und eine Unterkunft. Öffnungszeiten und Informationen zum Kloster entnehmt ihr diesem Link. Draußen am Parkplatz vor dem Kloster steht eine große Tafel mit Wandertouren im Huy, die wir euch sehr empfehlen können.

Wir verlassen durch einen schmalen grünen Tunnel den HuyDie letzten Kilometer führten uns aus dem Huy und vor uns lagen die ersten Ausläufer des Harzes. Man konnte Halberstadt endlich sehen. Schweigend gingen wir durch eine Allee aus Obstbäumen und genossen das Gefühl, es fast geschafft zu haben. Mir ging es jedenfalls so. Ich bin in einer Woche über 100 Kilometer zu Fuß gegangen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich das auch noch toll finden könnte. Was ich nicht erwartet habe, dass die letzten Kilometer dieses Tages unendlich lang werden würden. Es dauerte noch ewig, bis wir Halberstadt erreicht haben. Mir taten alle Glieder weh, der Rucksack auf meinem Rücken war unendlich schwer geworden und ich hatte das Gefühl, meine Beine taten nur noch automatisch das, was nötig war. Ich wollte einen Bus oder eine Straßenbahn, irgendwas zum sitzen. Doch der Thomas war unermüdlich zu mir, beziehungsweise die Zeit. Er drängte mich weiter zur gewünschten Straßenbahn- Bushaltestelle, da zu fortgeschrittener Stunde (19 Uhr... haha) auch in Halberstadt das öffentliche Leben eingestellt wird. Die letzte Bahn musste erreicht werden. Wir schafften es und das Glück bescherte uns noch einen wunderbaren Döner in der ach so schönen Bahnhofshalle. Satt, zufrieden und geschafft saßen wir im Zug nach Magdeburg, welcher uns binnen 45 Minuten den ganzen Weg einer Woche zurück zum Anfang unserer Reise brachte. Aber auf diesem Weg haben wir viel weniger erlebt, als die Tage zu Fuß.

Gourmet-Tipp

In Halberstadt, am Ende dieser Etappe, findet ihr auf einem Hinterhof in der Vogtei eine Kathedrale der Gaumenfreuden. Hier hat Biene(Sabine Haniball) das KuC eröffnet und beglückt euch mit leckerem Kuchen und Torten, dass an ein Weitergehen kaum mehr zu denken ist. Alle Infos zu den Öffnungszeiten des Kultur-Cafés und was Biene sonst noch veranstaltet, findet ihr auf ihrer Webseite.

Die Komoot-Karte zur Tour

Tags: Geschichte Bis 25 Kilometer Jakobsweg Halberstadt Huy Trekking

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