Zahltag im Sarek
Es gibt wenig geschenkt im Leben, aber der Sarek schenkt dir gar nichts. Je eher du das akzeptierst, um so leichter wird deine Reise. Wir wachen nach unserer ersten Nacht auf. Blauer, leicht bewölkter Himmel begrüßt uns. Es gibt Kaffee und wir besprechen den Ablauf des Tages. Ziel ist das Erreichen des Rapadalen, um die "Grüne Hölle" in so wenigen Tagen wie möglich zu durchqueren. Also ist heute Ausdauer und Kilometerfressen angesagt.
Hinter uns zieht Wetter auf. Sonne und Wolken ringen um den Skierffe und unsere Hochebene. Es wankt hin und her. Plötzlich ist für Minuten unser Kurs im Nebel verschwunden. Schnell muss der Kompass her. Doch genau so schnell ist die Sicht wieder klar. Ein verrücktes Spiel. Wir treffen auf ein erstes, nicht enden wollendes Blockfeld. Es gibt nur noch Steine. Jetzt ist mit 20 Kilo auf dem Rücken Balance gefragt. Leichter Regen folgt und immer wieder Steine.
Dann stellt sich uns eine erste Hürde in den Weg. Eine Kerbe in der Landschaft, V-förmig eingeschnitten von einem sonst kleinen Gletscherfluss. Der wirkt auf uns gar nicht mehr klein. Karsten bemüht sich, den ersten Wasserkontakt so lang wie möglich zu vermeiden. Verständlich, denn es ist wirklich eiskalt. Nur wenige Meter weiter liegen Schneefelder und Gletscher. Es folgt Ausweichverhalten und somit viele Höhenmeter, die uns wichtige Kraft kosten. Die Furt bleibt trotzdem unvermeidlich.
Wir machen den Fehler, dass jeder seine Strategie hat, aber keiner sie im Team umsetzt. Ich will mich am Rapadalen und den markanten Stellen wie Bergen orientieren, Karsten weiter rein in die Ebene und an den Geröllfeldern entlang gehen. Wir eiern rum und verlieren weiter Zeit.
Irgendwann einigen wir uns und finden wieder auf Kurs. Zwei weitere furchteinflößende Flüsse bauen sich vor uns auf. Der Größere von beiden hat locker 100-200 Meter stark abfallende Böschung. Auch ihn durchqueren wir mittlerweile pitschnass.
Harzer Bergwald Info zu geeigneter Lektüre:
Gute Vorbereitung ist im sarek die halbe Miete. Zu wissen was auf dich zu kommt, kann dir unangenehme Überraschungen ersparen oder du bist bestens für sie gewappnet. Spätestens nach dem 2.Tag im Sarek war für uns das Taschenbuch von Claes Grundsten "Reise Know-How Wanderführer Sarek - Trekking in Schweden" die Grundlage jeder Planung. Wenn du es schaffst, Grundstens Aussagen in das richtige Verhältnis zu deinen Fähigkeiten zu setzen, wirst du bestens vorbereitet sein, auf das was kommt. | ||
Wir nähern uns dem Abstieg ins Tal. Es ist kalt und wir beide sehnen uns nach einem Lagerplatz. Karsten meint, da unten könnte es lang gehen. Minuten später fühlen wir uns wie GI's in Vietnam. Kein Weg, keine 20 Meter Sicht, Kraut mannshoch und darunter Geröll. Der Regen bleibt. Schnauze voll und wieder hoch auf den Kamm. Ja wie nur? Es gleicht Bergsteigen im Dschungel. Die unvermeidlichen Stürze folgen. Zum Glück bleiben sie folgenlos, da unser Gepäck uns an Ort und Stelle gnadenlos zu Boden reißt. Es dauert Ewigkeiten, raubt uns Kraft und demoralisiert uns. Ich will und kann nicht mehr. Doch was ist die Alternative?
Wir erreichen völlig erschöpft den Kamm und stoßen auf den AlepVássjájågåsj, den Fluss, der die letzte Abstiegsmöglichkeit hinunter ins Rapadalen markiert. Interessante Lagerplätze mit grandiosen Aussichten müssen wir mangels Wasser ignorieren. Welche Ironie! Wir müssen ins Tal.
Irgendwann auf halbem Abstieg finden wir eine kleine Stelle für uns. Sie liegt nur 10 bis 20 Meter neben dem tosenden Alep Vássjájågåsj. Wir würden heute auch neben einer Autobahn schlafen. Zelt aufgebaut, nasse Kleidung aus, Essen im Zelt gekocht und erschöpft eingeschlafen.
Der Sarek hat uns zum ersten Mal für unsere Unerfahrenheit verprügelt. Zahltag!
Fazit
Freue dich über das, was dir der Sarek ohne Gegenleistung gibt. Der nächste Zahltag kommt sicher. Diese Erfahrung mussten wir bereits an Tag 2 machen. Die Freude über den Wettersegen am Skierffe war der Erschöpfung gewichen, die uns nach den Strapazen dieses Tages im Griff hatten. Ein guter Plan ist goldwert, kann aber im Schlechtwetter des Sareks schnell dahin sein. Wir haben diese Lehre angenommen und in der Folge zu unserem Vorteil gewendet.
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